Berater sind gefordert

M & A-Häuser müssen sich umstellen!

Die gelegentlich als „Königsdisziplin“ des Investmentbanking bezeichnete professionelle M & A-Beratung litt auch bisher nicht an mangelnder Komplexität der Aufgabenstellung. Allerdings war und ist derzeit noch ganz überwiegend die Zuständigkeit auf das Transaktionsmanagement „reduziert“.

Zumindest zwei Entwicklungslinien deuten derzeit darauf hin, dass eine solche Beschränkung den zukünftigen Anforderungen an M & A-Berater nicht mehr gerecht wird.

Zum einen drängen zunehmend benachbarte Disziplinen in den Markt. In dem Maße, wie zum Beispiel Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und klassische Consulting-Gesellschaften
M & A-Know-how aufbauen, müssen die M & A-Berater ihre Kenntnisse und Fähigkeiten umgekehrt in deren Arbeitsfeldern erhöhen, wenn sie in dieser neuen Dimension des Wettbewerbs bestehen wollen. Gefragt sind hier vor allem strategische Fähigkeiten und Restrukturierungskompetenz.

Zum anderen geraten Unternehmen wegen des steigenden Tempos weltweiter Wandlungsprozesse immer häufiger mehr oder weniger zyklisch in Restrukturierungssituationen. Die Skala reicht hier von spezifischen Turnaround-Notwendigkeiten bis zum kompletten Umbau des Beteiligungsportfolios.

Veränderungsprozesse steuern

Der hinzugezogene M & A-Berater findet sich dann mit steigender Tendenz in Situationen wieder, in denen geplante oder bereits eingeleitete Maßnahmen den anschließenden Verkauf des Beteiligungsunternehmens nahezu unmöglich machen.

Soll der beabsichtigte Verkauf des Beteiligungsunternehmens gelingen, muss der M & A-Berater an dieser Stelle und möglichst frühzeitig Restrukturierungskompetenz einbringen. Aus seiner Kenntnis des Marktes für Unternehmensbeteiligungen heraus ist er aufgefordert, zusammen mit der Konzernspitze das Verkaufsobjekt soweit irgend möglich so zu dimensionieren, dass ein Verkauf realisierbar wird.

Nicht immer werden diese Prozesse mit dem vorhandenen Management zu realisieren sein. In einer solchen zweifellos sensiblen Situation muss der M & A-Berater seine Kompetenz zur Beurteilung von Führungsfähigkeit unter Beweis stellen und für den Einsatz von Führungskräften sorgen, die Veränderungsprozesse steuern können. Er wird notfalls übergangsweise selbst die Führung des Beteiligungsunternehmens übernehmen oder durch von ihm beschaffte Interim-Manager ausführen lassen müssen. Vom M & A-Berater ist daher zukünftig unternehmensstrategische Kompetenz gefordert. Er wird auch stellenweise eine Intrastruktur anbieten müssen, die die zeitweilige Übernahme des Beteiligungsunternehmens in die eigene Bilanz so lange erlaubt, bis der endgültige Käufer gefunden ist.

Ideale Berater selten

Die Anforderungen wachsen also. M & A-Beratungshäuser werden dies bei der Rekrutierung ihres Personals berücksichtigen müssen. Gefragt sind erfahrene Führungskräfte, die neben der Standardkompetenz „Transaktionsmanagement“ ausgewiesene Fähigkeiten im Bereich der Unternehmensstrategie sowie bei der Bewältigung von Restrukturierungssituationen aufzuweisen haben. Sie sollten Idealerweise auch einige Jahre Erfahrung im Investmentbanking mitbringen. Und schließlich sollten sie mittlere bis große Unternehmen auch in Krisenzeiten erfolgreich geführt haben, um Veränderungsprozesse steuern zu können.

Die Auflistung der zu stellenden Anforderungen lässt befürchten, dass M & A-Berater mit einem entsprechend ausgerichteten Kompetenzprofil gegenwärtig noch selten zu finden sind. Kurzfristig könnten die steigenden Anforderungen dazu führen, dass M & A-Beratungshäuser sich auch um gestandene Industriemanager zur Abrundung ihrer Berater-Pools bemühen müssen. Deren Interesse ist durchaus vorhanden, insbesondere dann, wenn sie bereits in ihren bisherigen Positionen mit dem Kauf und Verkauf von Unternehmen beschäftigt waren. Mittel- und langfristig nach etlichen Jahren einschlägiger Berufserfahrung könnten die Absolventen eines M & A-Studiums gute Voraussetzungen bieten. den aufgezeigten Anforderungen der zukünftigen Beratungspraxis gerecht zu werden.

Autor: Dr. Wolfgang Thiede

FAZ 20.04.1999