Externe Nachfolge – M&A-Prozesssteuerung im Mittelstand

von Dr. Wolfgang W. Thiede und Dr. Karl-August Kaiser

In Deutschland werden gemäß Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung, Bonn, in den nächsten Jahren pro Jahr 71.000 mittelständische Unternehmen mit 907.000 Beschäftigten übergeben. Familieninterne Nachfolge wird bei Eignung der Familienmitglieder der nächsten Generation bevorzugt. Gemäß einer neuen empirischen Studie der Zeppelin Universität Friedrichshafen sind drei Viertel der Kinder von Familienunternehmern bereit, im familieneigenen Unternehmen Führungsverantwortung zu übernehmen. Es verbleiben jährlich tausende von Unternehmen, deren Eigentümer zur Sicherung des Unternehmens nach Eintritt in den Ruhestand eine externe Unternehmensnachfolge suchen, d.h. einen Unternehmensverkauf anstreben, oder aber das Unternehmen liquidieren müssen. Jährlich müssen 5.000 Familienbetriebe schließen, weil kein Nachfolger zur Verfügung steht.

Im Folgenden werden wesentliche Aspekte eines strukturierten M&A-Beratungsprozesses für kleine mittelständische Unternehmen dargestellt und Unterschiede zu größeren Unternehmenstransaktionen aufgezeigt. Als Leitfaden bedienen wir uns dabei eines 5-Phasen-Schemas eines typischen strukturierten Unternehmensverkaufes. Wir unterscheiden die folgenden fünf Phasen:

  1. Vorbereitungsphase
  2. Analysephase
  3. Vermarktungsphase
  4. Verhandlungsphase
  5. Abschlussphase

Anhand dieser Phasen werden wesentliche Charakteristika kleiner mittelständischer Unternehmensverkäufe erläutert, die auf den langjährigen praktischen Erfahrungen der Autoren mit derartigen Transaktionen beruhen.

1.     Vorbereitungsphase

Kleine Unternehmen weniger komplex, aber starke Abhängigkeit vom Eigentümer, oft keine 2. Führungsebene

Häufig mangelt es an mittelfristigen Strategien, Anforderungen an Eigentümer sollten nicht zu hoch geschraubt werden

Vorlage eines strukturierten Prozessschemas verängstigt kleine Unternehmer

Kleine Unternehmen sind oft nicht gut zu verkaufen, im Gegenteil: es stellt sich die Frage, ob das Unternehmen – in der gegenwärtigen Form – überhaupt zu verkaufen ist oder zunächst auf Verkauf vorbereitet werden muss

Der Eigentümer muss sich die Frage beantworten, ob er einen Unternehmensmakler oder einen M&A-Berater für Verkauf engagieren möchte

Bei strukturiertem Prozess ist die Honorierung niedriger als bei größeren Transaktionen, Basishonorare sind schwieriger durchzusetzen

2.     Analysephase

Unternehmensanalyse und -bewertung sind i.d.R. einfacher als bei großen Transaktionen, aber Eigentümer haben oft unrealistische Preisvorstellungen, weil sie von Substanzwerten ausgehen und keine Ahnung haben, was ihr Unternehmen „im Markt“ für Unternehmenstransaktionen wert ist. Der einfachste Maßstab ist auch bei kleinen Transaktionen ein EBIT-Multiple

Hoher Beratungsaufwand, weil Unterschied zwischen Asset und Share Deal, steuerliche Implikationen etc. dem Eigentümer nicht bekannt sind

Unternehmensanalyse und Erstellung der Verkaufsunterlagen sind möglichst knapp zu halten, 1. weil Unternehmen weniger komplex, 2. um Aufwand und Kosten zu reduzieren

Suche nach potentiellen Käufer einfacher, weil kleine Unternehmen eher regional und nur begrenzt international tätig sind; deshalb häufig Beschränkung auf Region/Deutschland/DACH; deshalb sind Long Lists eher kürzer

3.     Vermarktungsphase

Große Ängste bei Eigentümern, dass der Unternehmensverkauf bekannt wird: hier können anonymisiertes Kurzprofil, adäquate Vertraulichkeitserklärung und Vorsichtsmaßnahmen bei der Erstellung der Short List helfen. Zu vermeiden ist die Gefahr nicht, weil spätestens nach Versendung des Informationsmemorandums Details des zu verkaufenden Unternehmens bekannt werden; deshalb ist die psychologische Begleitung des Verkäufers durch den M&A-Berater wichtig

Angebotsanalyse und -bewertung sind ähnlich wie bei großen Transaktionen, aber für Eigentümer kleiner Unternehmen ist neben dem Kaufpreis häufig die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter und die Aufrechterhaltung des Standortes wichtig, was bei strategischen Investoren nicht immer gewährleistet wird (wegen des Ziels, Synergien durch Standortzusammen-legung zu erzielen)

Für die meisten Finanzinvestoren sind kleine – auch sehr profitable – Unternehmen häufig nicht interessant

Kleine Unternehmen wegen niedrigeren Kaufpreises besser geeignet für MBI-Kandidaten; Suche und Auswahl geeigneter Kandidaten wichtig

Verkäufergarantien werden ungern akzeptiert

4.     Verhandlungsphase

Vor der Abgabe von indikativen Angeboten möchten potentielle Interessenten i.d.R. zunächst den Unternehmer und das Unternehmen kennenlernen, was bei größeren Transaktionen i.d.R. in eine spätere Phase fällt

Vorbereitung und Durchführung der Due Diligence sind meistens schwieriger, weil Bedeutung der DD nicht bekannt ist und verschiedene Unterlagen bei kleinen Unternehmen einfach nicht vorhanden sind; frühzeitige Aufklärung und Mitarbeit des Eigentümers sowie Vorbereitung der DD-Unterlagen wichtig

Datenerfordernisse potentieller Käufer teilweise unterschiedlich und für kleine Unternehmen zu aufwendig; Standardisierung wäre wichtig, um den Aufwand möglichst gering zu halten

Bei Vertragsverhandlungen ist der Hausanwalt des Unternehmers häufig überfordert, weil er keine Prozesserfahrung hat. Der Beizug eines auf Gesellschaftsrecht spezialisierten Anwaltes verursacht höhere Kosten, kann jedoch erfolgsentscheidend sein.

5.     Abschlussphase

Unterschied zwischen Signing und Closing häufig nicht bekannt

Übliche Dauer des Verkaufsprozesses von der Entscheidung zum Unternehmensverkauf bis zum Closing i.d.R. länger als sich Unternehmer das zunächst vorstellen; deshalb ist korrekte Aufklärung des Eigentümers zu Prozessbeginn unerlässlich

Zusammenfassung

Es gibt viele kleine mittelständische Unternehmer, für die ein Unternehmensverkauf die einzig sinnvolle Option einer Nachfolgelösung ist. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Unternehmensverkauf und die Anforderungen an den Eigentümer während des Verkaufsprozesses sind häufig nicht bekannt oder werden unterschätzt. Entsprechende Aufklärungsarbeit und M&A-Beratung sind deshalb für den Eigentümer besonders wichtig. Andererseits wird diese professionelle M&A-Beratung durch kleinere Unternehmer eher ungern bezahlt. In diesem Spannungsfeld ist es deshalb besonders wichtig, dass M&A-Berater zielorientierte und kostengünstige Beratungsleistungen anbieten können. Wenn sie dies erfolgreich leisten, ist von einer weiteren Professionalisierung der M&A-Transaktionen auch im kleinen Mittelstand auszugehen. Ansonsten bleiben dem Unternehmer die Schließung des Unternehmens, der selbst initiierte Verkauf oder die Inanspruchnahme von Maklern oder Internet-Börsen.

Erschienen im Equity Guide 2015/2016 (www.majunke.com)


Dr. Wolfgang W. Thiede ist Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Karl-August Kaiser ist Senior Partner bei

HT FINANZ- und Beteiligungsmanagement GmbH, Bad Homburg, (www.htfinanz.de)

M&A-Beratung für den internationalen Mittelstand – Maßgeschneidert, Systematisch und Strukturiert