Freunde oder Feinde?

Rechts- und M&A-Berater sind gleichermaßen für die erfolgreiche Strukturierung einer Unternehmenstransaktion von Bedeutung. Unterschiedliche Interessen und Arbeitsansätze verursachen jedoch oft genug Reibungsverluste im Projektablauf.

Immer wieder lässt sich im deutschen Mittelstand beobachten, dass Transaktionen scheitern, weil Anwälte und M&A-Berater völlig unterschiedliche Auffassungen und Verhaltensmuster bezüglich Projektkontrolle (Wer führt Regie?) und Verhandlungsstrategien (Welche Strategie wird von allen Beteiligten einer Partei verfolgt?) vertreten.

In einem jüngst von uns beobachteten Fall ist eine Transaktion für einen deutschen Marktführer der Bautechnik vier Tage vor dem Notartermin gescheitert. Der Grund: Ein kurzfristig hinzugezogener weiterer Anwalt meinte, aus einem neun Monate lang verhandelten und in einem Letter of Intent vereinbarten Share Deal einen Asset Deal strukturieren zu müssen.

Dieser Eingriff blieb nicht ohne Folgen. Im Ergebnis befindet sich das Zielunternehmen in den Händen der Konkurrenz, der gemeinsame Mandant ist verärgert, und zwischen den beteiligten Anwälten und M&A-Beratern haben sich Feindbilder aufgebaut. Welche Ursachen verbergen sich hinter derartigen Entwicklungen, und wie lassen sie sich beseitigen?

Wofür stehen eigentlich M&A-Berater?

Eine erste Ursache dürfte im Berufsbild des M&A-Beraters liegen. Für mittelständische Mandanten und deren Anwälte ist es oft unklar. Oft wird seine Rolle gedanklich auf die der reinen Unternehmensvermittlung reduziert. Der qualifizierte Berater bietet jedoch ein komplettes Dienstleistungspaket an, einschließlich Projektsteuerung, Strategieauswahl und Verhandlungsführung. Eine zweite Ursache lässt sich bereits am Projektstart festmachen. Werden Anwälte und Berater zu unterschiedlichen Zeitpunkten und getrennt voneinander über das geplante Projekt informiert, ergibt sich ein Informationsgefälle bezüglich der Transaktionsziele und der zweckmäßigen Rollenverteilung. Dieses Gefälle generiert (Rollen-)Verteilungskämpfe – mit einer Tendenz zu unabgestimmten Aktionen und Reaktionen. Als dritte Ursache lässt sich der Konflikt zwischen juristischer Risikominimierung und ökonomischer Risikooptimierung erkennen. Der Anwalt ist tendenziell bestrebt (und muss es wohl auch sein), für den Mandanten juristisch unangreifbare Bastionen aufzubauen. Er muss sich zunächst nicht da – rum kümmern, ob derartige Risikominimierungsstrategien für die Gegenseite auch noch akzeptabel sind. Der M&A-Berater hat Markt und Marktteilnehmer, das Zielunternehmen sowie die Interessenlagen und taktischen Positionen der Verhandlungspartner analysiert. Er kann und muss die Bewegungsfähigkeit beider Seiten einschätzen. Trivial, aber essenziell: Nur im Rahmen der Bewegungsspielräume ist ein Abschluss möglich. Je nach Umfang dieser Spielräume sind mehr oder weniger juristische Restrisiken zu akzeptieren, wenn denn der Abschluss gewollt ist. Der Abschluss wird nicht zu Stande kommen, wenn die Restrisiken den ökonomischen Vorteil mutmaßlich überkompensieren. Die Bewertung dieser Frage kann nur der Mandant vornehmen. Bringen sich M&A-Berater und Anwalt hier ein und treten mit individuellen (unabgestimmten) Bewertungen an den Verhandlungspartner heran, kann die Transaktion bereits als gescheitert betrachtet werden – und ein solides Fundament für ein handfestes Feindbild wäre geschaffen.

Spielregeln für ein besseres Miteinander

Die hier angesprochenen Ursachen für das Scheitern von Transaktionen sowie die entsprechenden Feindbilder lassen sich vermeiden, wenn zweckmäßige Spielregeln verabredet und eingehalten werden. Am Anfang steht das gemeinsame Gespräch zwischen Mandant, M&A-Berater und Anwalt. Der Mandant definiert die mit der Transaktion verbundenen Ziele. Der Berater benennt die aus seiner Sicht erkennbaren ökonomischen, taktischen und projektsteuerungstechnischen Rahmenbedingungen, und der Anwalt definiert die juristischen Risiken sowie die entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten. An – schließend wird die entsprechende Rollenverteilung diskutiert und festgelegt. Dazu gehört auch die Entscheidung darüber, ab wann der Anwalt aktiv in den Transaktionsprozess eintritt. Je länger sich Berater und Anwalt kennen, desto problemloser dürfte diese Prozessstufe sein.

Im nächsten Schritt startet der M&A-Berater den Transaktionsprozess, wobei er Mandant und Anwalt laufend über den Stand des Projektes informiert. Der Anwalt ist bei Bedarf aufgefordert, Stellung zu nehmen. Nur so lassen sich Protokolle der wirtschaftlichen Einigung verhindern, die sich später juristisch nicht umsetzen lassen.

Spätestens ab Formulierung des Letter of Intent muss der Anwalt ständiger Projektbegleiter sein. Da die Rollenverteilung anfänglich geklärt wurde, werden sich Berater und Anwalt bei allen folgenden Projektstufen ergänzen und im Stile des Vier-Augen-Prinzips das bestmögliche Ergebnis für den gemeinsamen Mandanten erarbeiten. Der gemeinsam mit der Gegenseite ausgehandelte Vertrag ist transaktionsfähig (die Gegenseite stimmt zu) und im Rahmen des Möglichen juristisch abgesichert. Die Spielregeln sind der Schlüssel zu guten Ergebnissen.

Autor: Dr. Wolfgang Thiede

FINANCE Juni 2001