Kaufmandate – die etwas andere Herausforderung

Wachstum durch M&A ist heute eine fast notwendige Voraussetzung für eine überdurchschnittliche Wertsteigerung von Unternehmen. In vielen Fällen scheitern die Wachstumspläne der Unternehmer jedoch an einer fehlenden oder mangelhaften Strategie. Die Schwierigkeiten beim Unternehmenskauf werden häufig noch immer unterschätzt.

Es kommt immer wieder vor, dass Unternehmen beobachten müssen, wie ihre Konkurrenz konstant extern wächst, obwohl sie deren Zielunternehmen auch gerne gekauft hätten. Häufig wissen die Unternehmer dabei nicht, warum diese Dinge stets an ihnen vorbeilaufen. Die Antwort lautet meist, dass dieser potentielle Käufer offenkundig nicht über eine stringente und ausformulierte M&A-Strategie verfügt. Externes Wachstum aber muss ebenso präzise geplant und umgesetzt werden wie internes Wachstum. Es mag schlichtes Unwissen seitens der Unternehmen sein, in einigen Fällen sollen aber vermutlich einfach Beratergebühren gespart werden.

Für den Zukauf von Unternehmen gibt es ebenso standardisierte Prozesse wie für den Unternehmensverkauf. Wer hier auf den Zufall setzt, gefährdet sein Unternehmen. Dies gilt auch dann, wenn man das vermeintlich ideale Target genau zu kennen glaubt. Umgekehrt zeigen empirische Untersuchungen, dass Unternehmen mit einer stringenten externen Wachstumsstrategie ihren Wert überproportional steigern konnten.

Strategie und Kriterien verstehen

Eine funktionierende externe (M&A-) Wachstumsstrategie ist ohne eine ausformulierte Unternehmensstrategie nicht machbar. Entscheidend ist dabei zunächst der Strategieworkshop am Anfang einer möglichen Zusammenarbeit. Hier muss die Unternehmensstrategie verstanden, notfalls entwickelt werden. Dabei sollten die wichtigsten Entscheidungsträger, die die Übernahme später in die Praxis umsetzen sollen, bereits frühzeitig eingebunden werden. Anschließend geht es um die Ableitung der externen Wachstumspfade sowie die konkrete Entwicklung eines Kriterienkataloges, den das ideale Target erfüllen muss. Stichworte sind hier z.B.: Technologie, Produkte, Patente, Märkte, Marken, Größenordnungen, Regionen, Profitabilität usw. Ein (gegebenenfalls weltweites) Research listet im Ergebnis dann die Unternehmen auf, die diesen Kriterien entsprechen.

Für jedes einzelne Target muss ein (individueller) Argumentationskatalog aufgebaut werden, der die Motive für die Ansprache darlegt und insbesondere die synergetischen Vorteile für das Target (nur in zweiter Hinsicht auch für dessen Gesellschafter) aufzeigt. Der Käufer wird auf diese Art gezwungen, sich nochmals und endgültig über die Chancen und Risiken der spezifischen Übernahme klar zu werden. Das angesprochene Target (bzw. dessen Gesellschafter) bekommt den berechtigten Eindruck, dass die Ansprache mit großer Sorgfalt vorbereitet wurde. Dies erhöht die Bereitschaft zur Gesprächsaufnahme erfahrungsgemäß deutlich.

Den Käufer richtig präsentieren

Der Käufer muss den individuell und spezifisch anzusprechenden Zielunternehmen bereits mit der Kontaktaufnahme vorgestellt werden. Anderenfalls entsteht sofort der Verdacht einer unseriösen Kontaktaufnahme mit zweifelhaften Zielsetzungen und es kommt gar nicht erst zur Gesprächsaufnahme.

Im eher konservativen Europa hat sich ein anonymisiertes Kurzprofil als Anlage zum Anspracheschreiben durchgesetzt. Neben der Auflistung der üblichen wirtschaftlichen Eckinformationen sind hier insbesondere Angaben zur bisherigen Akquisitionsstrategie hilfreich. Wie ist diese definiert, welche Unternehmen wurden erworben, wie wurden diese integriert, und welche Er folge waren für wen mit der Übernahme verbunden? Derartige „Stories“ fördern nicht nur die zügige Gesprächsaufnahme, sondern erzeugen in nicht wenigen Fällen überhaupt erst die Verkaufsbereitschaft. In den USA ist die entsprechende Vorgehensweise deutlich offener und „aggressiver“. Der M&A-Berater erarbeitet ein „Kaufmemorandum“, in dem sein Mandant mit einer Vielzahl von Unternehmensdetails und insbesondere natürlich der bisherigen Akquisitionshistorie offen-gelegt wird. Oft werden dort auch Kaufpreise genannt, wodurch sich der Gesellschafter des angesprochenen Targets relativ schnell ein Bild seiner Möglichkeiten verschaffen kann. Diese Technik kann die Kaufprozesse natürlich erheblich beschleunigen.

Optionen evaluieren

Nachdem wichtige Erstinformationen verfügbarer und verkaufsbereiter Unternehmen zusammengestellt und strukturiert wurden, werden diese dem Mandanten (in einem weiteren Workshop) vorgestellt und evaluiert. Die Evaluierung setzt klare Vorstellungen über die Gewichtung der einzelnen Kaufkriterien voraus, um den Entscheidungsprozess stringent und transparent zu halten. Früher sind dafür Nutzwertanalysen eingesetzt worden, die sich auch heute noch bewähren, wenngleich es modernere Verfahren geben mag.

Wichtig ist in dieser Phase, dass die Kommunikationslinien zu sämtlichen Targets, die Verkaufsbereitschaft signalisiert haben, aufrechterhalten werden. Die potentiellen Verkäufer arbeiten mit einem erheblichen Vorschussvertrauen und haben ein moralisches Recht zu erfahren, wie sich der weitere Prozess gestalten wird. Dies beinhaltet auch eine klare und frühzeitige Absage, sollte das Target den Evaluationsprozess nicht überstanden haben. Die Gründe dafür sollten deutlich und nachvollziehbar genannt werden, um dem verkaufsbereiten Unternehmer andere Optionen zu eröffnen. Der Einsatz taktischer Instrumente kann hier viel Porzellan auf allen Seiten zerschlagen.

Kaufentscheidung und Integration

Ist die Entscheidung für eines oder mehrere Unternehmen gefallen, setzt die übliche M&A-Prozesskette ein, wie sie z.B. auch die „Vereinigung Deutscher M&A-Berater im BM&A (VMA)“ abgebildet hat. Abgesehen davon, dass der gleichzeitige Kauf mehrerer Unternehmen wohl nur von großen Einheiten gestemmt werden kann, müssen spätesten ab diesem Zeitpunkt auch interne Ressourcen für den jeweiligen Übernahmeprozess bereitgestellt werden. Dies betrifft vor allem die komplexe Integrationsplanung. Es ist in der M&A-Branche bekannt, dass in einer unzulänglichen Integration eine Hauptursache für das Verfehlen der Übernahmeziele zu finden ist. Wer hier Fehler macht, kann einen bis dahin optimalen Prozess hochgradig gefährden. Denn mit der Unterschrift des Kaufvertrages fängt die eigentliche Arbeit für den Mandanten und seine Integrationsteams erst an, dann nämlich, wenn sie für den M&A-Berater (üblicherweise) beendet ist.

Autor: Dr. Wolfgang W. Thiede

FINANCE Juli/August 2008