Turnaround im Doppelpack

Eine Krise? In meinem Unternehmen? Meist erkennen Eigentümer erst zu spät, dass ihre Gesellschaft in einer finanziellen Schieflage steckt. Daher starten sie den Turnaround-Prozess meist zu spät, der Verkauf des Unternehmens erfolgt unter Zeitdruck. Wer frühzeitig Turnaround-Manager und M&A-Berater gleichzeitig einschaltet, kann dieses Problem umgehen.

Kaufen & Verkaufen

Seit drei Jahren stagniert nunmehr die deutsche Wirtschaft, was zu deutlich verschärften Rahmenbedingungen auf den Absatzmärkten geführt hat. Dazu kommt, dass sich die Banken in puncto Kreditvergabe zunehmend zurückhalten. So werden immer häufiger Unternehmen oder Unternehmensteile zum Kauf angeboten, die mit erheblichen operativen oder finanzwirtschaftlichen Schwächen zu kämpfen haben. Die Folgen: deutliche Preisabschläge, stark verlängerte Transaktionsprozesse – und manchmal scheitert so- gar der Verkauf. Daher sind angeschlagene Firmen, die mit dem Gedanken des Verkaufs spielen, gut beraten, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten.

Turnaround-Management und M&A verknüpfen

Wenn überhaupt, so haben Unternehmen in der Vergangenheit – meist zu spät – einen Turnaround-Management (TAM)-Prozess gestartet, der die gewünschten Ergebnisse oft verfehlte und erheblich länger dauerte als geplant. So erfolgte der sich anschließende M&A-Prozess unter großem Zeitdruck und auf unsicherer Datenbasis – und die Verkaufsergebnisse waren nur marginal besser als ohne Vorbereitung.

In der Unternehmenskrise ist es daher notwendig, beide Prozesse eng miteinander zu verknüpfen. Denn der TAM-Prozess schafft oft erst die Voraussetzungen für den Verkauf. Umgekehrt generiert der Verkauf von Unternehmensteilen häufig erst die – zum Beispiel für die Finanzierung von Sozialplänen – notwendige Liquidität, um TAM-Prozesse zu realisieren. Beide Prozesse müssen rechtzeitig aufeinander abgestimmt werden, um die Zeitachsen zwischen TA-Manager und M&A-Projektleiter einzuhalten. Idealerweise kennen sich beide Krisenmanager aus langjähriger Zusammenarbeit, so dass Konflikte, die das Projekt gefährden könnten, gar nicht erst entstehen.

Kennzahlen für den Verkaufserfolg

Der TA-Manager sollte dem M&A-Projektleiter frühestmöglich zeigen, welcher Umsatz mit welchem Ergebnis über welche Maßnahmen innerhalb des vereinbarten Zeitrahmens erreicht werden kann. Diese Aussagen bilden die Basis für den späteren Verkaufserfolg, da Suchraster, Zielgruppendefinition und Verkaufsstrategie unmittelbar davon abhängen. Einerseits kommen in der Regel Finanzinvestoren als Käufer nicht in Frage, wenn deutlich wird, dass ein bestimmter Free Cashflow selbst unter günstigsten Annahmen nicht zu übertreffen sein wird. Zeichnet sich andererseits ab, dass während des TAMProzesses bestimmte Technologien, Produkte oder Divisionen aufgegeben werden müssen, fallen gewisse strategische Käuferschichten aus. Gibt es hier Zweifel, gefährdet man dadurch den Verkaufsprozess.

Zeitachsen aufeinander abstimmen

Auch die Zeitachsen der beiden Prozesse müssen passgenau aufeinander abgestimmt sein, um bestmögliche Ergebnisse zu generieren. Startet der Verkaufsprozess zu früh, dann ist die Datenbasis zu unsicher, um seriöse Verkaufsverhandlungen zu führen. Wird er zu spät begonnen, kann die geplante Liquidität aus dem Verkauf von Unternehmensteilen ihren originären Zweck verfehlen, da die Gesellschaft beispielsweise zwischenzeitlich Konkurs anmelden musste. Um solche Pannen zu vermeiden, empfiehlt sich daher die Krisenbewältigung aus einer Hand. Das bedeutet:

  • möglichst gleichzeitig TA-Manager und M&A-Projektleiter einzuschalten,
  • beide Prozesse inhaltlich und zeitlich aufeinander abzustimmen und
  • auf eine möglichst konfliktfreie Zusammenarbeit beider Krisenmanager zu achten.

Beispiele für in diesem Sinne gescheiterte Prozesse existieren hierzulande haufenweise. So wurden die Autoren – allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten – mit der Sanierung eines mittelständischen Motorenherstellers beauftragt, der Unternehmensteile verkaufen wollte. Schnell wurde deutlich, dass der operative Sanierungsprozess zwar in einer vergleichsweise kurzen Zeit möglich wäre. Doch der an – schließende Verkaufsprozess würde – selbst unter günstigsten Umständen – erst zu einem Zeitpunkt abgeschlossen sein, der etliche Wochen hinter der von den Banken gesetzten Frist läge. Das Mandat wurde niedergelegt, die Firma musste Konkurs anmelden.

Bei einem weiteren Mandat wurde zunächst ein Verkaufsauftrag für Teile des Unternehmens erteilt. Während der Unternehmensanalyse wurde klar, dass es sich um einen Sanierungsfall handelt. Der Verkaufsprozess musste gestoppt werden, um zunächst mit dem TAM-Prozess zu starten. Die Folgen sind inhaltliche Irritationen, ineffizienter Arbeitseinsatz und erhebliche Zeitverzögerungen, so dass sich der Verkauf sicherlich um zwölf Monate verzögern wird.

Auf Krisensymptome rechtzeitig reagieren

Doch wieso ist die Idee der Krisenbewältigung aus einer Hand in Deutschland noch kaum anzutreffen? Die Antwort ist bei denjenigen Entscheidungsträgern zu suchen, die in der Krise die Kommandogewalt besitzen. Im Mittelstand sind dies oft die Inhaber und die finanzierenden Banken.

Inhaberunternehmer neigen oft dazu, Krisensymptome zu ignorieren. Erst wenn operative Kennzahlen sinken, die Liquiditätssituation angespannt ist und Banken zusätzliche Sicherheiten fordern, beginnt man mit dem TAM-Prozess. Werden Unternehmensteile oder sogar das gesamte Unternehmen verkauft, verhindern emotionale Hürden den rechtzeitigen Start des M&A-Prozesses. Dies kann dazu führen, dass das Vermögen in der dritten Generation völ lig vernichtet wird. Finanzierende Banken denken zu oft in sukzessiven Teilschritten, woran bereits involvierte Berater bisweilen sicher nicht unbeteiligt sind. Die Möglichkeit, Unternehmensteile oder das gesamte Unternehmen zu verkaufen, wird zu spät in Betracht gezogen. Was also ist zu tun? Natürlich müssen Unternehmen die Krisensymp – tome generell früher zur Kenntnis nehmen und auf sie reagieren. Einen Verkauf sollten die Entscheidungsträger rechtzeitig in Betracht ziehssen, um einen angemessenen Kaufpreis zu erzielen. Sinnvoll ist es, TA-Manager und M&A-Projektleiter gleichzeitig einzuschalten – selbst dann, wenn die Verkaufsoption anschließend verworfen werden kann oder muss. Die bis dahin verursachten Honorare für den M&ABerater stehen in keinem Verhältnis zu dem Schaden, der durch einen unkoordinierten oder zu spät gestarteten M&AProzess entstehen würde.

„In der Unternehmenskrise ist es sinnvoll, beide Prozesse – Turnaround-Management und M&A – eng miteinander zu verknüpfen. Denn der TAM-Prozess schafft oft erst die Voraussetzungen für den Verkauf.“

Autoren: Dr. Wolfgang W. Thiede, Walter Münnich

FINANCE Dez. 2003 / Jan. 2005