Verkauft in 23 Zügen

Ist der Entschluss zum Verkauf des Unternehmens erst einmal gefasst, soll oft alles ganz schnell gehen. Dabei will die Transaktion gut vorbereitet sein: Für die konkrete Umsetzung sollte sicherlich ein Jahr einkalkuliert werden. Andernfalls droht ein niedriger Erlös oder gar die Unverkäuflichkeit. Der folgende Beitrag stellt die 23 Schritte des systematischen Unternehmensverkaufs vor…

Nahezu täglich berichten die einschlägigen Medien über beabsichtigte oder vollzogene Mega-Übernahmen oder -Fusionen. Käufe und Verkäufe von mittelständischen Unternehmen spielen sich dagegen überwiegend im Verborgenen ab. Entsprechend dünn gesät ist das Wissen über die Spezifika einer Transaktion im deutschen Mittelstand. Es reduziert sich im Wesentlichen auf die Gruppe der bereits betroffenen Unternehmer und deren Berater sowie auf Fachpublikationen.

Diese Artikelserie möchte die langjährige praktische Erfahrung einer M&A-Beratung einem breiteren Kreis von Inte-ressierten zugänglich machen, und zwar hauptsächlich den mittelständischen Unternehmern, die aus Nachfolge- oder anderen Gründen vor der Entscheidung stehen, ihr Unternehmen verkaufen zu wollen oder zu müssen.

Kaum einem noch nicht betroffenen mittelständischen Unternehmer ist bekannt, auf welch komplexen Vorgang er sich einlässt, wenn die Verkaufsentscheidung für sein oft über mehrere Generationen existierendes Unternehmen erst einmal gefallen ist. Da die meisten Unternehmer „nur“ ein einziges Unternehmen zu verkaufen haben, dürfte es sich wohl um ihre bedeutendste unternehmerische Entscheidung handeln. Die eigene persönliche Zukunft, die der Familie und die Existenzgrundlage der Mitarbeiter ist betroffen.

Entsprechend verantwortungsvoll sollte die Entscheidung vorbereitet und in die Tat umgesetzt werden. Dazu gehört die Einbeziehung fachkundiger M&A-Berater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte (mit Transaktionserfahrung). Dass rund die Hälfte der Übernahmen nicht die Erwartungen erfüllt und somit scheitert, verdeutlicht die Schwierigkeit der Aufgabenstellung.

Zum Verkauf des Unternehmens müssen sechs bis zwölf Monate eingeplant werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass man sich an einen strengen Maßnahmenkatalog halten sollte, der konsequent abgearbeitet wird. Insgesamt haben wir 23 wichtige Schritte identifiziert, die im Folgenden beleuchtet werden sollen.

1. Strategiegespräch

Bald nach der ersten Kontaktaufnahme müssen Veräußerer und M&A-Berater ein Strategiegespräch führen. Ziel des Gesprächs ist, die Durchführbarkeit der Transaktion zu analysieren und die Rahmenbedingungen für den Verkauf festzulegen. Die Durchführbarkeitsanalyse prüft die Beschaffungs- und Absatzmärkte des Unternehmens, die strategische Positionierung, die operative Situation und die Gesellschafterverhältnisse.

Unternehmen mit dominanten Abhängigkeiten in den Beschaffungs- oder Absatzmärkten lassen sich nur schwer veräußern. Gleiches gilt für Einheiten, die ihre Produkte oder Dienstleistungen in Märkten veräußern, die durch strukturelle oder konjunkturelle Krisen gekennzeichnet sind. Von Bedeutung für die potenzielle Veräußerungsstrategie ist außerdem die Frage, ob die Märkte polypolistisch, oligopolistisch oder tendenziell monopolistisch organisiert sind.

Die strategische Positionierung entscheidet darüber, ob ein Unternehmen mit ausreichender Aussicht auf Erfolg verkauft werden kann. Unternehmen ohne klare Fokussierung, die „Me-too“- Produkte vertreiben und in existenzielle Preiskämpfe verwickelt sind, finden selten einen Käufer. Dagegen lassen sich die ersten drei Anbieter eines Marktes ebenso wie Nischenspezialisten selbst dann gut veräußern, wenn die operative Situation zum Entscheidungszeitpunkt nicht sonderlich überzeugend ist.

Ist das Unternehmen überhaupt verkäuflich?

Die operative Situation zeigt sich vor allem in der nachhaltigen Ertragskraft, dem Organisationsgrad, der Transparenz des Rechnungswesens und insbesondere der Qualität des Managements. Vor kurzem mussten wir etwa die weitere Betreuung einer mittelständischen Aktiengesellschaft mit knapp roo Millionen Mark Umsatz einstellen, weil selbst sechs Monate nach dem Bilanzstichtag noch immer keine Ergebnisse vorgelegt werden konnten. Zudem sah sich der Vorstand nicht in der Lage, eine mittelfristige Unternehmensplanung zu präsentieren. Mängel dieser Art sollten schon vor dem ersten Schritt zum Verkauf beseitigt werden.

Banal, aber sehr wichtig: Die Gesellschafter sollten eine Verkaufsentscheidung abstimmen und möglichst einvernehmlich handeln. Gesucht werden nämlich vordringlich hundertprozentige Übernahmemöglichkeiten, mindestens jedoch satzungsändernde Mehrheiten. Neulich zeigte sich, dass ein Mandant gedanklich schon weit im Verkaufsprozess war, ohne überhaupt zu wissen, ob seine Mitgesellschafter ebenfalls verkaufswillig waren. Demnach war unklar, was eigentlich verkauft werden konnte. Derartige Gespräche sind sinnlos — sie kosten nur Zeit und Geld. Eine Durchführbarkeitsanalyse kann also durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass ein Verkauf des Unternehmens zunächst gar nicht möglich ist.

Die Erfahrung zeigt, dass die von mittelständischen Unternehmensverkäufern entwickelten Preisvorstellungen mit den vom Markt akzeptierten Regeln für Unternehmensbewertungen nur wenig zu tun haben. Schon bei der reinen Ertragsbewertung liegen mannigfaltige Verführungen vor. So werden etwa Börseneinführungskurse und Verkaufspreise für Unternehmen herangezogen, die völlig anders aufgestellt sind. Hinzu kommt der Wunsch nach einer additiven Bewertung von Immobilien und anderen Vermögensgegenständen.

Hier ist der M&A-Berater gefordert: Er muss seinen Mandanten über die Preise und Bewertungsregeln (Ertragswerte, Discounted Cash-flow, ausschüttbare Gewinne) im Markt für Unternehmensbeteiligungen aufldären. Andernfalls wird der Verkauf an überzogenen Preisvorstellungen scheitern.

Bewertungsgutachten (oft übermäßig teuer) von Experten können weiterhelfen, tun dies aber oft nicht. Der vereinbarte Verkaufspreis ist primär das Ergebnis angewandter Verhandlungstechniken unter sekundärem Rückgriff auf gängige Bewertungsregeln.

Verkauft ist verkauft

Nicht selten werden Wünsche nach Standortsicherung, Beibehaltung von Betriebsvereinbarungen, Incentive-Systemen und Ähnlichem geäußert. Je nach Verhandlungsposition kann sicher versucht werden, derartigen Wünschen Gehör zu verschaffen.

Allerdings muss dem Verkäufer klar werden, dass das Unternehmen nach Bezahlung des Kaufpreises dem Käufer gehört. Er wird es so ausrichten, wie er es für richtig hält.

Schließlich sei nochmals die Zeitachse angesprochen: Immer wieder trifft man auf völlig unrealistische Zeitvorstellungen, die außerdem noch (landesübliche) Ferienzeiten, Weihnachtsfeiertage usw. ignorieren. Ab Mandatserteilung dauert ein Unternehmensverkauf sechs bis zwölf Monate (Ausnahmen bestätigen die Regel). Entsprechend müssen die unternehmerischen und persönlichen Planungen ausgerichtet werden.

Grundsätzlich gilt: Die Rahmenbedingungen müssen vor dem Start des Verkaufsprozesses klar festgelegt sein. Wer verkauft was, welcher Preisrahmen ist realistisch, welche Nebenbedingungen sollen berücksichtigt werden, wie sieht die praxisgerechte Zeitplanung aus?

2. Mandatserteilung

Der mittelständische Unternehmer sollte seine Firma nie ohne fachmännische Begleitung durch einen erfahrenen M&A-Berater verkaufen. Dieser beherrscht die Komplexität des Verkaufsvorganges und wahrt die zwingend notwendige Anonymität in der Anbahnungsphase. Immer wieder lässt sich allerdings feststellen, dass die Projektleitung dem langjährig tätigen Hausanwalt oder Wirtschaftsprüfer übertragen und ein M&A-Berater für entbehrlich gehalten wird.

Bei allem Respekt vor der Kompetenz in Teildisziplinen: Es geht um die Beherrschung des Gesamtprozesses. Das ist die Kernkompetenz der M&ABerater. Know-how im M&A-Geschäft aufzubauen erfordert viele Jahre und kann nicht durch gelegentliche Aufträge ersetzt werden. Fehler in der Projektsteuerung aber können Unternehmer und Unternehmen ruinieren.

In Deutschland gibt es einige sehr gute Adressen für die M&A-Beratung mittelständischer Unternehmer. Mögen sich die Arbeitsweisen im Detail auch geringfügig unterscheiden, so folgen sie generell doch einem Grundschema, das sich in der Praxis bewährt hat.

Gleiches gilt für die Honorarstrukturen: Sie bestehen im Wesentlichen aus einer Zeitaufwandsentschädigung und einem gestaffelten Erfolgshonorar, ausgedrückt in Prozent vom Transaktionsvolumen (wirtschaftlicher Vertragswert = Summe aus Kaufpreis, zinstragenden Verbindlichkeiten, Mietvertragswerten etc.).

Die Auswahl des „richtigen“ M&ABeraters erfolgt durch vergleichende Beurteilungen („Beauty Contests“, schriftliche Präsentationen, Track Record). Auch auf Empfehlungen kann man sich stützen, sofern die Problemstellungen vergleichbar sind. Das Mandat an den M&A-Berater sollte gleichzeitig mit denen an den Rechtsanwalt und den Wirtschaftsprüfer vergeben werden, um einen identischen Informationsstand herzustellen und die Rollenverteilung im Detail festzulegen. Wenn es hier zu internen Konflikten zwischen den verschiedenen Beraterdisziplinen kommt, ist das Scheitern des Projektes fast programmiert.

3. Erhebungsgespräch zur Material- und Datensammlung

Nach der Unterzeichnung des Mandats muss ein Erhebungsgespräch zwischen M&A-Berater und Mandantschaft durchgeführt werden, für das erfahrungsgemäß ein bis zwei Tage einzuplanen sind. Über Gespräche, diverse Unterlagen und Daten versucht der Berater, das Unternehmen möglichst schnell und gut zu verstehen.

Zusammen mit dem Mandanten wird das Verkaufsmemorandum erstellt und die Veräußerungsstrategie festgelegt. Das Gespräch sollte gut vorbereitet werden. Es hat sich bewährt, der Mandantschaft zuvor eine Liste der benötigten Unterlagen zukommen zu lassen. Der Berater sollte tunlichst anhand von Interviewleitfäden arbeiten.

4. Unternehmensanalyse

Das Unternehmen und die relevanten Märkte müssen zweifelsfrei verstanden werden, um den bestmöglichen Käufer zu finden. Dafür sind Marktstudien und Querschnittsanalysen eine unerlässliche Hilfe. Im Ergebnis sind die strategische Marktposition des Unternehmens und das Stärken-Schwächen-Profil erkennbar. Daraus kann man ableiten, für welche Käufertypen der Erwerb des Unternehmens von Interesse sein müsste.

Von erheblicher Bedeutung ist eine aussagekräftige mittelfristige Unternehmensplanung (fünf Jahre), da die Unternehmensbewertung vor allem die zukünftigen Gewinne heranzieht. Häufig existiert entweder überhaupt keine oder eine bestenfalls rudimentäre Planung, die aber keinesfalls die Anforderungen erfüllt. Manche Mandanten bestreiten sogar die Notwendigkeit einer Planung. Hier gibt es noch erheblichen Nachholbedarf im Mittelstand.

5. Unternehmensbewertung

Die Unternehmensbewertung erfolgt auf Basis der Unternehmensanalyse. Auch im Mittelstand ist mittlerweile überwiegend bekannt, dass die herkömmlichen Verfahren (Substanzbewertung, Stuttgarter Verfahren, additive Bewertung der Immobilien) in der Praxis des Unternehmensverkaufes so gut wie keine Rolle mehr spielen. Andererseits sind die neueren Verfahren (EBIT/ EBITDA, Discounted Cash-flow, Diskontierung der ausschüttbaren Gewinne etc.) in ihrer konkreten Ausprägung und Auswirkung kaum bekannt.

Im vorliegenden Zusammenhang ist zweierlei wichtig: Die immer häufiger angewandten EBIT-Multiplikatoren stellen auf die vermögens- und schuldenfreie Bewertung ab. Der Mandant muss deshalb rechtzeitig darauf hingewiesen werden, dass etwaige zinstragende Verbindlichkeiten (Bankschulden, Gesellschafterdarlehen) vom Ergebnis der reinen Multiplikation abgezogen werden. Das führt oft zu unangenehmen Überraschungen, auch wenn klar gemacht wird, dass andererseits die Cash-Po- sition beim Verkäufer verbleibt. Die dis-kontierenden Verfahren dagegen beziehen sich auf die zukünftigen Gewinne. Eine plausible Unternehmensplanung kann daher den Verkaufserlös erheblich verbessern.

Ein Wort zu den von Mandanten gelegentlich bereits eingangs vorgelegten Bewertungsgutachten: Sie sind in aller Regel gleichermaßen methodisch sauber erstellt wie auch zu teuer. Letzteres deshalb, weil sie bei der Preisfindung lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Der erzielbare Verkaufspreis hängt von der Anzahl der Interessenten, der Struktur des Verkaufsprozesses und der Verhandlungstaktik ab. Keinen Käufer interessiert wirklich, zu welchem Bewertungsergebnis der Gutachter des Verkäufers gekommen ist. Bewertungsgutachten sind — jedenfalls in dem oft vorzufindenden Detaillierungsgrad überflüssig.

6. Das Verkaufsmemorandum

Die wichtigste Informationsgrundlage in der Anbahnungs- und Verhandlungsphase ist das Verkaufsmemorandum. Selbst im Rahmen der Abwicklung einer Transaktion — also etwa bei Abfassung der Verträge — wird noch gelegentlich auf Aussagen des Verkaufsmemorandums zurückgegriffen. Darum ist es sinnvoll, auf die Erstellung allergrößte Sorgfalt zu verwenden. Nachdem das Unternehmen bereits analysiert und Indikativ bewertet wurde, wird es nun schriftlich präsentiert. Für die Gliederung gibt es Grundmuster, deren Ausgestaltung allerdings variiert.

Die Struktur jedoch ist folgende: Es gibt einen Einführungsteil, der einen kurzen Überblick gewährt, darauf folgt ein darstellender Teil mit der Historie und den rechtlichen Grundlagen. Eine Zusammenfassung (Executive Summary) präsentiert die wichtigsten Zahlen. Im Hauptteil werden Management, Personalstruktur, Produkte, Märkte, Vertriebsorganisation und Unternehmensstrategie beschrieben. Je nach Art des Unternehmens werden auch die Bereiche Forschung/Entwicklung, Produktion oder anderes behandelt. Den Abschluss bildet eine detaillierte finanzwirtschaftliche Darstellung des Unternehmens.

Natürlich gibt es hochsensible Teilbereiche wie Kundenlisten oder die Beschreibung von Technologien — hier muss fallweise entschieden werden, wie ausführlich die Informationen im Memorandum dargestellt werden sollen. Durchaus üblich ist auch, einige Angaben zu anonymisieren und erst zu einem späteren Zeitpunkt offenzulegen.

7. Erstellung des Suchrasters

Parallel zum Memorandum wird ein Suchraster erstellt. Der M&A-Berater baut dazu eine Matrix auf, die auf der Horizontalen die fallspezifischen Käuferkategorien und auf der Vertikalen die Regionen zeigt. Unter Einbeziehung der Mandantschaft diskutiert das Projektteam die einzelnen Felder. Gemeinsam wird entschieden, welche Matrixfelder im vorliegenden Fall relevant sein dürften. Anschließend werden weitere Kriterien wie Größe, Produktspektrum und Ertragskraft festgelegt.

8. Freigabe von Verkaufsmemorandum und Suchraster

Ohne die Freigabe der Unterlagen durch den Mandanten kann der Prozess nicht fortgeführt werden. Die Freigabe ist aus mehreren Gründen notwendig:

  • Das Verkaufsmemorandum enthält eine Freistellungserklärung des Beraters — die Haftung für falsche Angaben verbleibt beim Mandanten. Das ist auch nicht anders möglich, da die Primärinformationen vom Berater nicht überprüft werden können.
  • Wine Gegenprüfung insbesondere des finanzwirtschaftlichen Teils im Memorandum ist von größter Wichtigkeit für Preisfindung und Verhandlungstaktik. Werden nämlich falsche Finanzdaten erst nach Vorlage des Memorandums beim Käufer erkannt, kann er den Prozess abbrechen oder zweifelt zumindest die Glaubwürdigkeit des Verkäufers an.
  • Eine unabgestimmte Recherche kann zu Ergebnissen führen, die der Mandant ablehnt — etwa weil seine Verkaufsabsicht einer bestimmten Käuferkategorie verborgen bleiben soll.

9. Streng vertrauliche Ansprache der möglichen Käufer

Die systematische Suche durch den M&A-Berater mündet in einer Liste potenzieller Interessenten. Auch diese Liste muss der Mandant nochmals freigeben — schließlich könnten sich darauf für ihn inakzeptable Firmen befinden. Andererseits stellen wir immer wieder fest, dass keine noch so akribisch durchgeführte Recherche alle denkbaren Käufer erfasst. Die Mandanten fügen in der Regel auch Firmen hinzu, die ihnen geeignet erscheinen — aus welchen Gründen auch immer. Wir haben uns nach intensiven Diskussionen entschlossen, die zusätzliche Auswahl des Mandanten zu respektieren.

Wichtig ist der Text der Ansprache und der Stil. Die Aussagen sollten gleichermaßen informativ wie anonym gehalten werden. Außerdem muss das Schreiben persönlich und streng vertraulich gehalten sein. Der Adressatenkreis ergibt sich aus einem mehrstufigen Auswahlprozess. Im Anschreiben werden wichtige Eckinformationen geliefert, die erstes Interesse wecken sollen. Innerhalb von etwa zwei Wochen soll der Adressat mit teilen, ob Interesse besteht. Diesem Wunsch wird häufig nur teilweise nachgekommen — Nachfassaktionen können hier Erstaunliches bewirken. Letztlich hat man dann eine Liste mit interessierten Kandidaten in der Hand.

10. Der Interessent unterzeichnet eine Vertraulichkeitserklärung

Die Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung ist internationaler Standard. Der Interessent versichert, dass er die Informationen nur zum Zwecke der Prüfung einer möglichen Transaktion verwendet und nur einem ausgewählten Personenkreis Zugang zu diesen Informationen verschafft. Ohne die Vertraulichkeitserklärung darf das Verkaufsmemorandum nicht zur Verfügung gestellt werden. Der Wert dieser Erklärungen ist allerdings umstritten: Vereinzelt wird dagegen verstoßen, ohne dass man de facto etwas unternehmen könnte, weil der Nachweis schwierig ist. Letzten Endes kann man nur auf die Seriosität des Adressaten hoffen.

11. Herausgabe des Verkaufsmemorandums

Das Memorandum wird nicht allein herausgegeben, sondern als Anlage zu einem weiteren spezifischen Schreiben. Darin wird unter anderem das Verkaufsprozedere dargestellt. Üblicherweise bittet der Verkäufer darum, innerhalb der folgenden zehn bis vierzehn Tage mitzuteilen, ob das Kaufinteresse aufrechterhalten wird. Außerdem wird zum ersten Mal nach dem Preis gefragt, den der Käufer zu bieten bereit ist.

Erfahrungsgemäß fällt an dieser Stelle mindestens die Hälfte der Erstinteressenten aus. Ein Teil hat nach eingehendem Studium festgestellt, dass das Unternehmen tatsächlich nicht zu den eigenen Zielvorstellungen passt. Bei einem weiteren Teil wiederum wurde ein gänzlich andersartiges Interesse befriedigt: Einigen selbst ernannten „Interessenten“ geht es oft nur darum zu erfahren, was sich am Markt tut. Daran wird deutlich, dass bereits die Herausgabe des Memorandums einen heiklen Akt darstellt, der genau überlegt sein will.

12. Auswahl der besten Angebote

Ein Verkaufsvorgang ist stets auch ein taktischer Prozess. Darum ist eines unabdingbar Verhandlungen mit verschiedenen Interessenten müssen parallel durchgeführt werden. Die Parallelität ist wichtig, um in kürzestmöglicher Zeit das bestmögliche Angebot zu generieren. Es kann schließlich in jeder Phase durch die eine oder andere Seite zum Abbruch der Verhandlungen kommen. Hat man dann auf dem jeweils gleichen Stand noch andere Verhandlungsprozesse, die weitergeführt werden, ist die erwünschte Verfahrenseffizienz gewahrt. Daher werden zunächst die drei bis vier besten Angebote identifiziert, sofern man sich in der komfortablen Lage befindet, überhaupt über mehrere akzeptable „Subject-to“-Angebote zu verfügen („Subject-to“ meint hier „vorbehaltlich der Unternehmensprüfung“ — Due Diligence).

13. Verhandlungsbeginn mit den Interessenten

Mit den interessantesten Unternehmen werden Termine für Erstgespräche oder Verhandlungen vereinbart. Alle weiteren erhalten einen Zwischenbescheid. Es kann ja durchaus sein, dass alle Parallelverhandlungen scheitern. In diesem Fall würde man auf die Interessenten der zweiten Wahl zurückgreifen. Es ist sinnvoll, dass die Erstgespräche am Sitz des Beraters stattfinden: Er kann sich dadurch als Verhandlungsführer positionieren und deutlich machen, dass der Prozess von ihm gesteuert wird und nicht etwa von dem möglichen Käufer.

14. Getrennte Betriebsbesichtigungen

Im Verlauf der Verhandlungen ergibt sich ein Zeitpunkt, zu dem Interessent und Verkäufer sich persönlich kennen lernen. Dieser Moment lässt sich nicht anhand einer Regel bestimmen — er wird aus der jeweiligen Situation heraus gewählt. Der Wunsch nach einem frühen Zusammentreffen kommt selten vom Berater, der zunächst über eine ausreichende Menge an Gesprächssubstanz und Fakten aus ersten Verhandlungen verfügen möchte. Andernfalls verschwenden alle Beteiligten wertvolle Zeit.

Der Berater hat die Aufgabe, seinen Mandanten auf das erste Treffen vorzubereiten, besonders wenn dieser vergleichbare Situationen noch nicht kennt. Die Gesprächsführung auf der Verkäuferseite sollte beim Berater liegen.

Parallelität der Verhandlungen darf natürlich eins nicht heißen: dass Interessenten zur gleichen Zeit am gleichen Ort auftreten. Sie sollten weder die Zahl der Mitbewerber noch gar deren Identität kennen. Darum können Besichtigungen des zu übernehmenden Betriebs keine multilateralen Veranstaltungen sein — sie müssen zeitlich hintereinander gestellt werden, wenn auch möglichst in kompakter Folge.

15. Verhandlungsfortführung und Rangfolge der Interessenten

Die potenziellen Kontrahenten haben sich also kennen gelernt, das zum Verkauf stehende Unternehmen ist besichtigt und für interessant befunden worden — nun ist die Zeit reif, auf die so genannte „wirtschaftliche Einigung“ hinzuwirken. Deren Basis sind zunächst das Verkaufsmemorandum sowie die Ergebnisse aus den Vorverhandlungen.

Vor der wirtschaftlichen Einigung erhält der Kaufinteressent die Möglichkeit, die bis dahin offen gelegten Informationen zu überprüfen. Dazu stellt der Verkäufer einen Datenraum (Data Room) zur Verfügung, in dem Einsicht in die einschlägigen Unterlagen genommen werden kann. Diese Vorgehensweise ist für den Verkäufer mit einem gewissen Risiko verbunden, das er aber im Interesse des Fortgangs der Verhandlungen eingehen sollte. Allenfalls besonders sensible Daten können nun noch zurückgehalten werden. Handelt es sich beim Interessenten um einen strategischen Erwerber, so wird er vor allem prüfen, inwieweit die Produkte des Mandanten zu seinem Programm passen. Er kann in die Tiefe oder in die Breite expandieren. Vielleicht will — und muss — er auch einfach Umsatz kaufen, um im Markt weiter zu bestehen. Denkbar ist auch, dass schlicht und ergreifend ein Konkurrent ausgeschaltet werden soll.

Bei diesen Einschätzungen kommen quasi-objektive Bewertungsdaten mit dem zusammen, was einem Interessenten die Akquisition subjektiv „wert ist“. Die Objektivität einer Bewertung ist also weitgehend virtuell: Letztendlich ist die Kaufpreishöhe zwar eine aus Daten gespeiste Größe, der rechnerische Wert wird aber radikal davon beeinflusst,

  • wie dringend jemand verkaufen will oder muss und
  • wie dringend jemand das Kaufobjekt will oder braucht.

Ist der Interessent ein Finanzinvestor (also eine Beteiligungsgesellschaft oder ein Fonds), spielen die Firmendaten des Verkaufswilligen dieselbe Rolle. Das Urteil des Investors hängt davon ab, welchen Kriterien er bei seinen Erwerbungen folgt: Manche Beteiligungsgesellschaften kaufen auch oder gar vorwiegend restrukturierungs- oder sanierungsbedürftige Unternehmen und schalten sich mit eigenem Personal in die Geschäftsführung ein. Andere machen darum einen weiten Bogen. Wieder andere haben Branchenschwerpunkte. Daneben gibt es quantitative Anforderungen an Kennzahlen wie Umsatzgröße oder Gewinn — auch geografische Präferenzen sind denkbar.

Eines ist für Finanzinvestoren von großer Bedeutung: dass die Führungsebene im Rahmen eines ManagementBuy-outs (MBO) im Unternehmen verbleibt, um den reibungslosen Geschäftsablauf nach der Transaktion zu gewährleisten. Meistens spielt auch die Frage eine Rolle, welche Aussichten für eine mittelfristige Wiederveräußerung oder einen Börsengang bestehen.

Wenn noch in diesem Stadium mehrere Interessenten ihre Kaufabsicht bekunden, befindet sich die Verkäuferseite in einer angenehmen Position für die weiteren Verhandlungen. In verschiedener Weise wird — mehr oder weniger verdeckt — ein Wettbewerb unter den Bietern eingeleitet. Preis und Bedin- gungen eines Verkaufs können dadurch im Sinne des Veräußerers optimiert werden. Wichtig ist es, mit den einzelnen Bieterunternehmen auf dem gleichen Verhandlungsstand zu bleiben, bis eine Entscheidung getroffen werden kann. Sie wird zu Gunsten desjenigen Kaufinteressenten ausfallen, bei dem der Vergleich sämtlicher Vorteile mit eventuellen Nachteilen für den Veräußerer den größten Positivsaldo aufweist. Die übrigen potenziellen Käufer müssen weiterhin möglichst nahe am Prozess gehalten werden — und zwar so lange, bis der Unternehmensverkauf mit Vertragsunterschrift und Beurkundung erfolgreich abgeschlossen ist. Scheitert die Transaktion mit dem Vorzugsinteressenten, kann das Spiel mit dem nächsten in einer weiteren Runde wieder eröffnet werden.

16. Letter of Intent (Vorvertrag, feste Absichtserklärung)

Käufer und Verkäufer haben grundsätzlich zueinander gefunden. Sobald beide Seiten Einigkeit über die Inhalte und den Preis einer Transaktion erzielt haben, wird der Interessent zur Abgabe eines Letter of Intent aufgefordert. Darin steht alles Wesentliche, was bei einem Kauf von Belang ist. Allerdings geht die Übereinkunft nicht bis ins letzte Detail und gilt nur vorbehaltlich einer eingehenden Unternehmensprüfung (Due Diligence). Der Interessent ist durch die Unterzeichnung des Letter of Intent nicht gezwungen, die Transaktion unwiderruflich durchzuziehen. Dennoch ist er nicht bedeutungslos: Die Verhandlungspartner können etwa Sanktionen für den Fall eines schwach nicht begründeten Rückzugs vereinbaren. Außerdem verpflichten sich der Verkäufer und sein Mandatsträger in der Regel, dem durch den Letter of Intent akkreditierten Kaufkandidaten für einen bestimmten Zeitraum über die Unternehmensprüfung hinaus (zwei bis vier Wochen) Exklusivität einzuräumen. Während dieser Zeit müssen laufende Verhandlungen mit anderen Interessenten eingestellt und neue Verhandlungen unterlassen werden.

17. Due Diligence (Unternehmensprüfung)

Während der Exklusivitätsphase obliegt dem Käufer die abschließende, eingehende Prüfung des Kaufobjekts. Ziel sollte nicht sein, den vereinbarten Kaufpreis zu drücken. Die Due Diligence hat vielmehr die Aufgabe, die Angaben des Verkäufers überprüfen und jeden Winkel des Unternehmens auszuleuchten. Nur wenn bisher nicht bekannte und bewertungsrelevante Fakten auf den Tisch kommen, kann die Preisvorstellung nochmals thematisiert werden.

Ein Problem tritt häufig auf: In den weiteren Vertragsverhandlungen fordert der Käufer zusätzliche Garantien und die Möglichkeit der Nachbesserung, falls bestimmte Voraussagen nicht eintreten. Der Veräußerer — hier vertreten durch den M&A-Berater — sollte darauf nach Möglichkeit nicht eingehen. Er garantiert lediglich die Vollständigkeit aller bei der Due Diligence vorgelegten Informationen, damit über den Verkaufsabschluss hinaus keine unzumutbaren Vorbehalte verbleiben.

18. Festlegung der Transaktionsstruktur

Jede Transaktion hat ihre eigene ideale Struktur. Diese zu finden ist der nächste Schritt in den Verhandlungen. Zunächst werden die steuerrechtlichen Aspekte untersucht. Daraus folgt der Vorschlag einer entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Struktur.

Je nach Lage der Dinge kann es notwendig sein, vor der Durchführung einer Transaktion die Rechtsform umzuwandeln oder ein neues Vehikel zu gründen (etwa eine Holding). Solange dem Verkäufer subjektiv und objektiv keine Nachteile entstehen, gilt folgende Faustregel: Der Käufer erhält jeglichen Gestaltungsspielraum, den er aus steuerlichen oder gesellschaftsrechtlichen Gründen beanspruchen möchte.

19. Endverhandlung

Nach der Klärung der Transaktionsstruktur folgen die Endverhandlungen — mitunter wird ein modifizierter Letter of Intent aufgesetzt. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, um bei der Due Diligence aufgefallene Unstimmigkeiten zu klären. Außerdem werden auch solche Punkte geregelt, bei denen Handlungsbedarf festgestellt wurde. In der Regel sind jetzt auch Fachabteilungsleiter des Verkäufers zugegen. Sie erläutern die Unternehmensdaten, geben zusätzliche Auskünfte und wirken an der Feinabstimmung mit.

20. Definition und Umsetzung des juristischen Regelwerkes

Die Transaktion muss natürlich auch in eine juristische Form gegossen werden. Die Anwälte des Veräußerers handeln den Kaufvertrag aus. Die Vermittlung versierter Anwälte ist Teil der Dienstleistung des M&A-Beraters. Als üblicherweise gut eingespieltes Tandem können der Berater und „sein“ Anwalt weit wirkungsvoller zu Gunsten des Verkäufers tätig werden, als das mit dem für gewöhnlich in Transaktionsprozessen unerfahrenen Hausanwalt des Mandanten möglich wäre.

Der Berater muss darauf achten, dass er auch in dieser Phase das Gesetz des Handelns diktiert. Mit seinen Kenntnissen sowohl über das Unternehmen als auch über den Gesamtvorgang kann er den anwaltlichen Bemühungen zur Seite stehen und sollten die Juristen einmal in scheinbar unauflöslichen Widerstreit geraten — einen ins Stocken geratenen Prozess wieder in Gang bringen.

21. Erstellung eines Zeitplanes bis zum Closing (Abschluss)

Im Allgemeinen strebt das Vorhaben in diesem Stadium seinem guten Ende zu. Vor dem endgültigen Abschluss können nun im Rahmen eines Fahrplans auch noch möglicherweise offene Punkte erledigt werden — das kann die Klärung und Einholung von kartellbehördlichen Genehmigungen ebenso betreffen wie Investitionsgenehmigungen bei Transaktionen mit ausländischer Beteiligung.

22. Festlegung eines Notars

Sofern die notarielle Beurkundung eines Unternehmens (ver)kaufs erforderlich ist, wird sie terminlich abgestimmt und in großer Besetzung durchgeführt. Beide Seiten sind mit dem Führungspersonal, ihren Anwälten und sonstigen Beratern vertreten. In manchen Fällen machen eine oder beide Seiten den so genannten Gremienvorbehalt geltend: In einer Aktiengesellschaft etwa ist der Vorstand auf die Zustimmung des Aufsichtsrates angewiesen. In diesem Fall enthält der Vertrag eine entsprechende Formulierung. In der Regel wurde diese Zustimmung vorab informell eingeholt und ist weitgehend gesichert.

23. Closing (Abschluss, Vertragsunterzeichnung)

Der Vertragswortlaut wird unter Einschluss sämtlicher Anlagen verlesen. An diesem Punkt kann es nochmals Einwürfe der Vertragsparteien geben, die alles in Frage stellen. Noch einmal ist das Geschick des M&A-Beraters gefragt, um in letzter Minute aufgetauchte Bedenken auszuräumen.

Nun erhält die Transaktion eine sehr persönliche Note: Denn was nüchtern als „offene Punkte“ und „Klärungsbedarf“ bezeichnet wird, hat auch mit angespannten Nerven zu tun. Erst wenn die entscheidende letzte Unterschrift geleistet und das Notarssiegel angebracht wurde, darf der M&A-Berater seine Aufgabe als erfüllt ansehen.

Checkliste: Die 23 Schritte des Unternehmensverkaufs

1. Strategiegespräch

2. Mandatserteilung

3. Erhebungsgespräch zur Material- und Datensammlung

4. Unternehmensanalyse

5. Unternehmensbewertung

6. Das Verkaufsmemorandum

7. Erstellung des Suchrasters

8. Freigabe von Verkaufsmemorandum und Suchraster

9. Streng vertrauliche Ansprache der möglichen Käufer

10. Der Interessent unterzeichnet eine Vertraulichkeitserklärung u. Herausgabe des Verkaufsmemorandums

12. Auswahl der besten Angebote

13. Verhandlungsbeginn mit Interessenten

14. Getrennte Betriebsbesichtigungen

15. Verhandlungsfortführung und Rangfolge der Interessenten

16. Letter of Intent (Vorvertrag, feste Absichtserklärung)

17. Due Diligence (Unternehmensprüfung)

18. Festlegung der Transaktionsstruktur

19. Endverhandlung

20. Definition und Umsetzung des juristischen Regelwerkes

21. Erstellung eines Zeitplanes bis zum Closing (Abschluss)

22. Festlegung eines Notars

23. Closing (Abschluss, Vertragsunterzeichnung)

 

Autor: Dr. Wolfgang W. Thiede

FINANCE 2001